„D’FASCHTEWAIJE“ – VOM FASTEN- ZUM FASNACHTSGEBÄCK
Wenn
es um Basler Selbstlob geht, ist Vorsicht geboten. Das gilt unter anderem auch
für die einmalige und unverwechselbare "Basler Faschtewaije“, die gerne als
„feines Stück Basler Fasnachtstradition“ gepriesen wir, obschon sie sich, bei
einem längeren Blick über den Tellerrand, als Spross einer weit ins Mittelalter
zurückreichenden überregionalen Tradition des Brezelbackens zur Fastenzeit
entpuppt, mit Wurzeln in Oberösterreich, Bayern, Schwaben sowie dem alemannischen
baslerischen und elsässischen Sprachraum. Fastenbrezel waren, wie die
Geschichte des Brotbackens zeigt, ein ursprünglich im Umfeld von Klöstern
hergestelltes Devotionsgebäck, das zur Fastenzeit, also zwischen Aschermittwoch
und Ostersonntag, an Gläubige und insbesondere auch an Kinder und Arme verteilt
wurde. Wie stark der symbolische Bezug des Brezel zur vorreformatorischen
Fastenzeit bis heute geblieben ist, offenbart die katholische Symbolik der
ineinander verschlungenen Teigstränge – ein Sinnbild der vor der Brust
verschränkten Arme der Priester und Mönche.
Seit
1695 wurden auch in Basel die Fastenwähen oder Fastenwecken zum Gegenstand von
Handwerksvorschriften der Zunft zu Brotbecken. Herstellung und Vertrieb der
„Faschtewaije“ waren von nun an Gesetz und waren nur von Montag vor
Aschermittwoch an bis und mit Ostersonntag erlaubt.
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Damit geriet das beliebte
Fastengebäck, das im März zu Ehren des Schutzpatrons der männlichen
Schuljugend, des Heiligen Gregorius, an den Basler Schulen verteilt wurde,
immer mehr in die Nähe der Fasnacht, die in der protestantischen Stadt mitten
in der Fastenzeit, am Montag nach Aschermittwoch, zusammen mit den
Waffeninspektionen, Umzügen und feuchtfröhlichen Festen der Basler Zünfte und
Vorstadtgesellschaften das Leben am Rheinknie bestimmte.Mit dem starken Anwachsen der Bevölkerung im 19. Jahrhundert hatte sich, wie der
bekannte Basler Backhistoriker und Volkskundler Albert Spycher zu berichten
weiss, auch der Bedarf an Backwaren aller Art stark erhöht. Offensichtlich waren
nun nicht wenige Bäcker mit dem anspruchsvollen und aufwändigen Umschlingen der
Teigstränge nach alter Manier überfordert und begrüssten deshalb nur allzu
gerne das von Basler Spenglern entwickelte vierschneidige Abstecheisen,
liebevoll „Faschtewaije-Yse" genannt, das nicht nur eine praktische, sondern mit
der Produktion gekreuzter Arme auch traditionsbewusste Lösung für viel Klein-
und Mittelbetriebe anbot. Im Jahre 1925 erschuf schliesslich der Kleinbasler
Bäckermeister Emil Schneider den kleinen heidnischen Bruder der „Faschtewaije“,
das „Sunnereedli“, zusammen mit dem für seine Herstellung unentbehrlichen
„Yseli“, ein salziges Apérogebäck, das mit seiner Sonnenrad-Symbolik einem ganz
anderen Formenkreis angehört, der ebenfalls weit über Basel hinausweist.
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